Mir wurde aufgetragen, die teuren Gitarren nicht über Nacht im bitterkalten Auto einzuschließen, sondern mit ins Warme zu nehmen. Meine Vergesslichkeit ist jedoch bisher unerreicht.
Folgerichtig fahre ich zunächst ohne die guten Stücke los und muß nochmal zurück. Immer die „Terpentinen“ zwischen Heiligenstadt und Kalteneber hoch und runter.
Vorabinformation des Veranstalters zum Saal – nachdem wir aus Schmerbachs Keller rausgeflogen waren (siehe Eintrag von gestern) – „nicht viel anders als der Keller“. Wir nehmen also die gleiche Licht- und Tontechnik mit wie dort. Dann das große Huiuiui. Kalteneber ist schon was ganz anderes. Der Saal hat zwar eine Super-Akustik und ist auch sehr gemütlich gestaltet, man merkt kaum noch was von der klassischen Kulturhaus-Optik. Aber das ist schon sehr viel großräumiger. Zudem erfahren wir, daß die Leute hier von den opulenten Lichtaufbauten der Top-40-Coverbands verwöhnt sind. Wir ham nun leider nur 4x Par 64 eingepackt hihi. Und da uns der Strom im Saal nicht leiden kann, frisst er über den Abend zwei der Birnen in den Scheinwerfern plus zwei Ersatzbirnen. Das hat zur Folge, daß wir bald in lediglich zwei roten Lichtkegeln stehen.
Unser Support heißt „Cold Flame“. Die Jungs kommen trotz lediglich halb so hohen Altersdurchschnitts wie bei uns total professionell daher. Haben super Equipment, lassen sich problemfrei an unsere kleine PA anbinden, und sind sehr angenehme Zeitgenossen. Das Beste kommt als sie spielen: Von HIM bis Placebo, perfekt gecovert, Spitzensound, und der kleine junge Sänger kriegt die verschiedenen Stimmen erstaunlich gut hin. Merkt euch mal „Cold Flame“!
Als wir dran sind merk ich einerseits, daß ich doch irgendwie noch kaputt bin von gestern, andererseits daß mir das Sauerkraut vom Catering im Wanst rumrammelt. Die ersten anderthalb Runden krieg ich nur so mehr oder weniger hin. Dann hat sich mein Bauch wohl plötzlich mit dem Sauerkraut einigen können und es geht. Leider haben inzwischen – scheint mir – 30% der Leute den Saal wieder verlassen? Rausgespielt haben wir eigentlich noch keinen? Sollten das enttäuschte Top-40-Fans gewesen sein? Oder war das der Anhang von Cold Flame, die ich mit meinem Gebrüll in die Flucht geschlagen hab? Die verbleibenden feiern zum Glück Party mit uns.
Schön, daß man auch wieder viele bekannte Gesichter sieht. Ihr seid uns also vom Keller bis nach Kalteneber gefolgt, danke! Drei Jungens aus der Gegend veranstalten vor der Bühne einen zünftigen Pogo. Dem Gliedmaßenwirbel fällt das T-Shirt eines unserer treuen Stammgäste zum Opfer. Es hat dann irgendwie keinen Rücken mehr, der klafft so beiseite. Die weiblichen Begleitpersonen finden das äußerst amüsant, aber der Betroffene neigt zur Verärgerung. Beim Gitarrensolo hüpf ich schnellfix runter ins Publikum und kleb ihm sein Shirt hinten wieder zusammen mit Gaffa (das ist ein Klebeband, mit dem man alles reparieren kann). Es dauert dann auch nicht sehr lange, bis die beiden Kopulenten, nee Kontrahenten Arm in Arm selig zur Bühne strahlend weiterfeiern. Wie schön, gelle?
Hier können wir auch wiedermal den „Lumberjack“ mit Veranstalter Schlaps intonieren, der hauptberuflich Holzfäller und sehr guter Kettensägensolist ist. Damit man die Feinheiten im Kettensägensound auch vor der Bühne hört, borgt sich Schlaps immer bei Freunden ein Mikro aus. Diesmal kommt er – ich glaub es hackt! – ausgerechnet mit dem identischen Replikat meines voller Skrupel neu erworbenen Shure Beta angelatscht. Als ich ich ihm sag was das kostet is ihm auch lustig zumute. Man stelle sich also vor, daß ein über 500 EUR teures Mikrofon mit Klebeband und alten Strumpfhosen an eine Kettensäge angetütelt wird, um diese im High-End-Sound dem Publikum zu präsentieren. Beim Soundcheck machen wir alles soweit klar. Als Schlaps dann aber dran ist, ist plötzlich die Batterie des Funkmikros alle, huahua. Da es warm und sicher in die Strumpfhosen eingepackt ist, kann man die nicht mal eben schnell wechseln. Also stell ich mich einfach mit einem Billig-Mikro daneben, huahua. Macht aber dem Publikum und uns gar nix, sondern allen einen Heidenspaß. Bei Thunderstruck gibt’s im Publikum einen Getränkeunfall, der von der Bühne aus sehr gefährlich aussieht, ich bin mir nicht sicher, ob wir weiterspielen oder abbrechen sollen. Aber das sah wohl schlimmer aus als es war, sagen die Verwandten. Die Stimmung zieht’s trotzdem runter und wir hören auf.
Ja wie verdau ich nun so einen Abend? Wie das Sauerkraut. Dauert vielleicht bissel, is dann aber trotzdem schön. Eine Sau, wer jetzt an fäkales denkt. Ich wollte bloß einen lyrisch wertvollen Schlussatz finden. Schlusssatz. Schlussssatz. Schlußsatz. Schlatzus. Schltzlbtzl.