Am Freitag Nachmittag krieg ich eine SMS vom kranken Frisör-Schlagzeuger. Der liegt seit der ganzen Woche flach und versucht sich aufzupäppeln. Hiermit kommt die Erkenntnis, daß er Sonnabend wirklich nicht spielen können wird. Shocking. Ich greife notgedrungen zum Telefon und sage Arnstadt ab. Der Udo (= Veranstalter) bekommt eine Art Herzinfarkt.
20 min später ruft mich einer an und erzählt, er hätte uns vor zwei Jahren in der Handschuhfabrik in Arnstadt gesehen, und das wäre ja wohl dermaßen toll gewesen. Und das ginge ja wohl gar nicht, daß wir absagen. Und er würde das trommeln. Wenn wir uns auf höchstens 25 Songs beschränken.
Hm. Die Band-Statuten sind seit Jahren in Stein gemeiselt und sind aus Erfahrung gewachsen. Da drin steht – wenn einer nicht kann, kann die ganze Band nicht. Was nun? Wir können auch mit dem besten Profi-Aushilfs-Musiker nicht so spielen, wie eigentlich. Das haben wir alles getestet. AC/DC besteht nunmal nicht zuerst aus Noten, sondern aus Gefühl. Und das kommt nur, wenn man sehr lange aufeinander eingespielt ist.
Aber die Open-Air-Stadtfest-Mugge einen Abend vorher abzusagen tut uns sehr sehr weh. Und der Alex – dazu gesagt, wir kennen uns nicht und haben uns noch nie gesehn – der Alex, macht am Telefon den Eindruck, daß er den nötigen Ernst und Elan mitbringt und daß er sich reinkniet. Er bekommt von mir am Freitag Abend per E-Mail eine Liste mit 25 Stücken, hockt sich abends in den Proberaum und arbeitet alles aus. Schreibt sich Spickzettel zu den Abläufen. Die anderen Crayfisher stimmen dem Experiment zu – wegen großer Überzeugungskraft von Alex und wegen Arnstadt.
Wir kommen auf dem Platz an. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir schon im Hof der alten Handschuhfabrik gespielt haben, aber ich weiß, daß wir das NIE auf Anhieb finden werden. Dieser Ort ist in einer parallelen Dimension versteckt, die man nur erreicht, wenn man jemanden anruft, der einen reinwinkt.
Das Wetter ist ziemlich scheise. Die Tanzfläche besteht aus einer 1 qm Pfütze in einer Absenkung des Bitumens. Als wir eintreffen, sind Double Vision schon fertig und Quotime bauen auf. Die nutzen unser Equipment mit, und schon sind wir verquickt (quipt). Und nun kommt trotz des geregendrückten Stimmungspegels eine wunderschöne Status Quo-Show, die die Leute langsam doch wieder auftaut.
Nachher bauen wir geringfügig um und scheisen uns bissel in die Hosen. Und los. Ja und siehe – es geht! Der Alex ist ein versierter Drummer. Der F dirigiert von Position Bass aus und hilft so, die Einsätze und Breaks zu finden. Ab und zu winken der F oder ich windmühlenartig, um eine Geschwindigkeit zu korrigieren, aber die Stücke laufen. Und es IST eine Party. Schließlich ist der ganze Hof der Handschuhfabrik gefüllt. Zum Glück hält jetzt auch das Wetter, so daß die Leute nur von innen nass werden. Die Beleuchtung auf der Bühne blendet bissel. Während eines Gitarrensolos gehe ich hintenrum zum Alex um ihm ein paar Anweisungen zu geben. Aber ich sehe nicht, daß die Bühne hinten einfach aufhört. Wegen eines Fehltrittes bin ich dann plötzlich 1,60 m tiefer und kann grad noch so über die Bühne lunzen. Der Alex ist glaub ich mehr erschrocken als ich, aber es ist noch alles dran und ich kann auch noch wieder hochsteigen. Unsere 25 Songs reichen dann auch grad bis zum staatlich verordneten Spielschluss. Natürlich sind ein paar Sachen schiefgegangen, es gab Spielfehler, der Groove war nicht derselbe. Aber das war uns vorher klar, das geht nicht anders, so ganz ohne Probe. Also ein großes Dankeschön an den Alex, der mit dieser Aktion unsere Absage verhindert hat. Manche von euch haben mir hinterher gesagt, das wäre bisher unser unterhaltsamster Auftritt gewesen. Naja, so kann man’s auch ausdrücken. Wir wollen jedenfalls lieber versuchen, in Zukunft unser Statut einzuhalten und nicht krank zu werden.