10 Jahre Bandstand. Und es beginnt damit, daß Mitveranstalter und Freund Klaus Fleischmann einen Monat vorher ganz plötzlich stirbt. Der eine der beiden Bandstand-Väter ist auf einmal tot. Der Mann, der vielleicht daran Schuld ist, daß wir jetzt in Gotha einigermaßen bekannt sind.
Der vor 7 Jahren unsere Bandstand-Tradition mit einem Anruf bei mir begonnen hat mit den Worten: „Guten Tach mein Name ist Fleischmann und ich seh auch so aus.“ Seitdem durften wir jedes Bandstand mitspielen sofern wir Zeit hatten. Klingeling. „Hallo?“ – „Neunundzwanzigster Dritter?“ – „Ääh – ja !“ – „Gut. Schüss.“ Damit waren alle Fakten für das nächste Bandstand besprochen und das Booking erledigt. 4 Worte. Nicht daß irgendwelche Höfligkeitsfloskeln gefallen wären, oder daß er sich mit Namen gemeldet hätte. Aber das war auch nicht nötig. Wer sonst klingt noch so. Und mit dieser Art – wenig Worte, aber die wichtigen – hat er immer alle Schwierigkeiten weggeknurrt. Selbst Probleme wie ein fehlender Schlagzeuger 6 Tage vor der Mugge, der 40 AC/DC-Songs ohne Probe spielt, sind so lösbar. Es gibt eben Schwätzer und es gibt Macher. Wir haben einen Freund verloren. Eine echte Freundschaft ohne viele Worte. Wir sehen uns irgendwann, dort wo Du jetzt bist. Wir haben diese unsere letzen Grüße schon in Deinem Kondolenzbuch hinterlassen. Aber vielleicht lesen es hier noch ein paar weitere Augenpaare. Wir haben nun keine Zeit mehr, unsere lange geplante „ungeschäftliche“ Begegnung nachzuholen – auf ein Bier, und ohne Telefon. Das muss warten, bis wir nachkommen, nach oben oder unten.
Aber weil Klaus auf keinen Fall gewollt hätte, daß das Bandstand jetzt aufhört, gibt es keine Frage – es geht weiter, wir machen weiter mit, und mit jedem Bandstand ist da ein Stück von Dir, das alle Gothaer an Dich erinnert.
Wie jedes Mal treffen wir uns also halb vier zum Aufladen am Proberaum. Die neuen alten gebrauchten seltenen begehrten Bassboxen werden jedesmal schwerer glaub ich. Und ab. Nach zwei Kilometern fällt dem Frisör ein, daß wir unter Umständen seinen Zylinder vergessen haben könnten. Allso Vollstop und Ladefläche absuchen. Er ist tatsächlich nicht da. Da gibt’s nur eins. Umlenken, zurück, und den Zylinder holen. (Bitte merken Sie sich diese Stelle.)
Als wir im Londoner ankommen, müssen wir sehen, daß da eine komplette Lichtanlage und eine komplette PA (also die gaaaanz großen Beschallungsboxen für vorne raus) fix und fertig da stehen – aber wir dürfen das nicht benutzen! Also schleppen wir unsere eine Tonne (das ist NICHT übertrieben sondern exakt!) Club-Muggen-Equipment die blöde Treppe hoch. Beim Aufbauen werden wir stutzig. Wer hat eigentlich die Top-Teile aus dem Proberaum aufgeladen??? Hähm? (Exkurs: Die Boxenanlage, die das Publikum beschallt, besteht aus verschiedenen Lautsprechersystemen. In unserem weit verbreiteten Fall besteht das aus z.B. vier SEEEHR schweren Bassboxen, die den Schub von unten bis 1 KHz (Ähem, naja, fast. – der Technikminister) bringen. Darüber, für mittlere und hohe Töne, gibt es dann noch zwei Lautsprecher, für beide Seiten, die sehr viel kleiner sind.) Und die haben wir, ähm, vergessen. Kopfkratz. Man erinnere sich. Die Band ist so geistesgegenwärtig und kehrt um, um einen vergessenen HUT nachzuholen. Und lässt die viel besser klingenden Lautsprecher sang- und klanglos stehen. Hach.
Zum Glück haben wir in Gotha Freunde, die uns helfen und uns zwei passende Boxen leihen. Großes DANKE hier nochmal! Mit entsprechender Verzögerung bekommen wir dann unsere Anlage zum Klingen. Vor Muggenbeginn bleiben bloß noch 20 min zum Luftholen, bissel warmsingen und zwei Schluck Stimmenkühlbier. Es bleibt keine Zeit mehr, was zu essen. Der F und ich haben Mittag zum letzen Mal Festes bekommen. Der Frisör hat sich – weise – eine Schachtel kalte Schnitzel eingesteckt. Wie’s den Schönes geht weiß ich nicht. Sehen sehr dünn aus. Und dann beginnt Bandstand Nr. 20.
Weil die Gothaer von Anfang an gut drauf sind, überziehen wir alle Runden ein bißchen, fangen aber trotzdem immer pünktlich wieder an. Das heißt es geht für uns fast durchgehend durch, der F und ich können immer noch nix essen, Steffen und Jochen sind immer noch dünn. Der Frisör isst kalte Schnitzel. Ein Lied jagt dasselbe, und als wir nach der letzten Zugabe eine noch weitere verweigern, haben wir 5 Stunden gespielt. Im Zeitraum von 20 Uhr bis glaub ich 01:40 Uhr, rein netto, nach Abzug der Zehnminutenpausen. Ich glaube, für AC/DC-Rock ist das recht viel. Fühl mich jedenfalls so. Zwar bekommt das Publikum nur höchstens die Hälfte unserer spielfähigen Lieder zu hören, aber das kommt daher, daß viele Teile mehrmals verlangt werden. Wir spielen mindestens die Hälfte jedes Sets auf Zuruf (oder über unsere neuen „Wunschkonzert-Bestellzettel“).
Ich überlege die ganze Zeit, wie ich einen Nachruf für Klaus gut platzieren und gut sagen kann. Aber ich bin so verdammt schlecht in sowas. Ich lasse es immer wieder. Letztendlich lasse ich es ganz. Ich möchte es deswegen mit diesem Tagebucheintrag nachholen.
Irgendwann ist es längst nach eins, wir hätten längst aufhören müssen – schließlich sollen die Leute zur Abschlussveranstaltung in die Perle gehen – und wir sind rechtschaffen kaputt. Ich geh aufs Klo. Dort stehen vor mir zwei an den Pissoirs und unterhalten sich. Der Eine krächzt zum Anderen „mann meine Stimme ist total weg“. Der andere: „meine auch“. Ich kapier wirklich nicht gleich und frag arglos von hinten „Wieso, was habt ihr denn gemacht?“ Die haben lustige Gesichter gemacht, als sie sich rumgedreht haben. Da hab ichs kapiert.
Nachdem wir die ganze riesige Scheiße wieder die blöde Treppe runtergeschleppt haben, im Transporter sitzen und heimwärts eiern, erwächst im Fahrgastraum ein hypnotischer Sprech-Chor: eichelborn, Eichelborn, EichelBORN, EICHELBORN. Der F und ich und selbst der schnitzelversorgte Frisör kehren ins Stammlokal ein, super Rührei essen – hmjam! Endlich! Lecki lecki! (Hungi autschn). Im Bett etwa um 4:30 Uhr. Abladen morgen.
Und nun ist das Bandstand vorbei. Ich hab Muskelkater. Den Gothaern scheint’s Spaß gemacht zu haben. Wir sind glücklich.
Für Klaus.